Sind Telefoninterviewer als Selbstständige oder als Arbeitnehmer einzustufen?

| Ob eine Tätigkeit selbstständig oder nichtselbstständig ausgeführt wird, hängt vom Gesamtbild der Verhältnisse ab. Aktuell musste der Bundesfinanzhof entscheiden, ob Telefoninterviewer einer Marktforschungsagentur als Selbstständige oder als Arbeitnehmer einzustufen sind. |

Sachverhalt
Die Telefoninterviewer hatten die Aufgabe, mit den Befragten computerunterstützte Fragebögen durchzugehen und die Antworten zu erfassen. Die Interviews dauerten, teilweise von einem Supervisor überwacht, zwischen fünf und 25 Minuten. Sie wurden meist in Zeitblöcken von vier Stunden geleistet, vertraglich waren aber keine festen Arbeitszeiten vorgegeben. Für jedes abgeschlossene Interview stellte der Interviewer dem Auftraggeber monatlich ein Erfolgshonorar für seine vertraglich vereinbarte „freie Mitarbeit“ in Rechnung. Sozialleistungen wie Lohnfortzahlung im Urlaubs- oder Krankheitsfall wurden nicht gewährt. Der Lohnsteuerprüfer und das Finanzgericht Köln stuften die Interviewer als Arbeitnehmer ein, was zu hohen Lohnsteuernachforderungen führte. Der Bundesfinanzhof hob die Vorentscheidung jedoch auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück.

 

Der Bundesfinanzhof bemängelte, dass das Finanzgericht wichtige Aspekte nicht berücksichtigt hat. Ferner wurden die Abgrenzungskriterien nicht richtig gewichtet. Beispielsweise wurde dem Unternehmerrisiko durch die Möglichkeit der Einkünftesteigerung durch Mehrarbeit oder des Honorarausfalls zu wenig Bedeutung beigemessen.

Praxishinweis | Entscheidend sind die Gesamtumstände des Einzelfalls, die sich aus den vertraglichen Grundlagen und der tatsächlichen Umsetzung ergeben. Es gibt verschiedene Indizien (z.B. Weisungsgebundenheit, feste Bezüge, Urlaubsanspruch), die unterschiedlich zu gewichten sind.

Um Rechtssicherheit zu erhalten, können Arbeitgeber im Vorhinein die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status beantragen und parallel dazu beim Betriebsstättenfinanzamt eine lohnsteuerliche Anrufungsauskunft einholen.

 

Quelle | BFH-Urteil vom 18.6.2015, Az. VI R 77/12, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 179562